Sind Ihnen folgende Situationen vertraut? Sie sind Teil eines lebhaften Treffens, es ist laut und Sie verstehen nicht mehr, was gesprochen wird. Was macht das mit Ihnen? Besonders wenn Sie den Inhalt gerne mitbekommen und sich am Gespräch beteiligen würden, kann Frustration, Ausgrenzung oder Missverständnis aufkommen.
"Nicht sehen können, trennt von den Dingen. Nicht hören können, trennt vom Menschen." Diese Weisheit von Immanuel Kant verdeutlicht, wie stark unser zwischenmenschliches Miteinander vom Gehör beeinflusst wird.
Dank fortschrittlicher Technologie öffnen Cochlea-Implantate (CI) seit dem letzten Jahrhundert Gehörlosen die Tür zur Klangwelt. Besonders Kinder mit früh erkannter Gehörlosigkeit und später ertaubte Erwachsene profitieren davon. Die Technologie hat sich so verbessert, dass CI-Implantate mittlerweile zur Standardtherapie gehören.
Das CI eröffnet die akustische Welt und ermöglicht gehörlosen Kindern die Lautsprachentwicklung. In einer Langzeitstudie wird seit mehr als 14 Jahren am Kinder- und Universitätsspital Zürich gemeinsam untersucht, welche Faktoren den Verlauf der Sprachentwicklung bestimmen. Untersucht wurden Faktoren neben der sprachlichen Förderung. Dabei haben wir festgestellt, dass der Erfolg nicht nur vom Implantationszeitpunkt abhängig ist. Auch Faktoren, die bei normalhörenden Kindern eine Rolle spielen, wie Kognition, sozioökonomischer Status und das Vorliegen von Mehrsprachigkeit oder Beeinträchtigungen wie Autismus beeinflussen den Therapieerfolg. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass der Sprachentwicklungsverlauf sehr unterschiedlich sein kann. Glücklicherweise konnte gezeigt werden, dass mehr als die Hälfte der Kinder, die ein CI erhalten, spätestens im Schulalter eine normale Sprachentwicklung erreichen.
Auch eine optimal mit CI versorgte Schwerhörigkeit bleibt immer wieder eine Herausforderung. Besonders in lauten Umgebungen und bei ungünstiger Akustik, kann das Sprachverständnis deutlich abnehmen. Das Hören mit CI erfordert oft zusätzliche Energie und gerade Kindern, aber auch Erwachsene, brauchen mehr Pausen. Kinder mit CI profitieren von der Förderung im familiären Umfeld. Audiopädagog*innen begleiten die Familien von Beginn an, beraten und fördern sie. Viele Kinder profitieren zusätzlich von gezielter Sprachtherapie durch Logopäd*innen.
Das CI allein ist, so wunderbar es auch ist, ist also keine Garantie für eine erfolgreiche Lautsprachentwicklung oder ein müheloses Hören. Je komplexer der Klang, desto herausfordernder das Verstehen. Dank der Plastizität unseres Gehirns können vor allem Kinder, aber auch Erwachsene, Schwierigkeiten größtenteils durch Training und Förderung überwinden. Unsere Patient*innen und Eltern von Kindern mit CI sind überwiegend sehr zufrieden und schätzen die Möglichkeiten, die sie mit dem CI haben.
Neben dem Hören nennen viele CI-Träger*innen einen weiteren Vorteil, den man in dieser lauten, reizüberfluteten Welt als exklusiven Luxus sehen kann: Wenn sie Stille wollen, dann bekommen sie auch Stille. Dafür müssen sie nicht ins Kloster oder die Natur. Sie legen ihr CI einfach ab und geniessen Momente der völligen Ruhe.
Stephanie Diehl. Logopädin am Universitätsspital Zürich, Klinik für Ohren-, Nasen-, Hals- und Gesichtschirurgie
Bild mit freundlicher Genehmigung von MED-EL
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